Gebetebrunnen
„Das Wasser ist der Ursprung von allem und alles ist voll von Göttern.“
Platon (427 – 347 v.Chr.)
Die Installation ist eine überlebensgroße Plastik aus Beton und Wasser für den öffentlichen Raum
Die Maße sind ca. 3,5m x 3m
Erster Eindruck
Das riesige Betonobjekt in organisch-runder Form ist schwer und zugleich lebendig. Die weichen Wasserströme quellen wie kleine Quellen aus dem offenen Leib des fruchtbaren Samenkorns hervor. Das Fließen selbst ist ungleichmäßig und wie die Gezeiten wellenartig. In die Wassergeräusche mischen sich menschliche Stimmen in verschiedenen Sprachen. Die Stimmung ist weich und lebendig und zugleich geheimnisvoll aus der Tiefe kommend.
Beschreibung
Man sieht einen großen, grauen, ovalen Körper mit einer horizontalen schlitzförmigen weichen Öffnung an einer Längsseite, aus der Wasser strömt. Es ergießt sich wie ein Bach – unregelmäßig und wild. Mit den Wassergeräuschen hört man Stimmen in verschiedenen Sprachen. Kreisrund aus Bronze in den Asphalt eingegossen stehen Wörter aus allen Sprachen und umrahmen das Gebilde. Das Werk besteht aus aus diesen 4 Elementen.
Analyse
Das Gebilde ist oval und voluminös-wuchtig. Ein riesiger angeschwollender Körper. Nur an einer Seite öffnet sich ein schmaler Schlitz. Er befindet sich etwa in Augenhöhe des Betrachters. Man ahnt die Hohlform des Objektes, kann aber nicht ins Innere blicken, da Wasser aus dem Schlitz hervorquillt. Unterstützt wird der hohle Eindruck durch die Stimmen, die aus dem Inneren sprechen und singen. Rundherum erscheint die Form geschlossen. Die Skulptur steht wuchtig und selbstbewußt im Raum. Sie fügt sich nicht ein und verbindet sich nicht mit ihrer Umgebung. Sie steht für sich allein. Die Oberfläche des Objekts ist steingrau und uneben rauh. Wie aus Ton geformt. Bei Berührung ist sie kühl und hart. Das hervorströmende Wasser ist der weiche Gegensatz dazu. Die Schrift, die im Boden eingelassen ist, zitiert einzelne Elemente der aus dem Inneren des Brunnens hörbaren Gebete.
Interpretation
Das Werk zeigt das Wunder alles Lebendigen. Es wird aus einem Samenkorn geboren und zeigt überbordende Kraft, Vitalität und Weichheit. Wasser strömt endlos aus dem Gebilde wie aus einer geheimen Quelle. Alles an diesem Brunnen ist vital, pulsierend zwischen der unbewußten und intimen Nähe des Profanen und Alltäglichen in Form des Steines und der befremdlichen Entrücktheit des ästhetisch Erhabenen – dem Wasser. In Geplätscher, Rauschen und Gluckern strömt es über den runden Rand. Es mischen sich Stimmen in verschiedenen Sprachen. Der Betrachter hört nur die auf- und abtauchenden Wortfragmente. Es sind Teile von Wassergebeten. Segnungen und Weihungen aus allen Weltreligionen. Christentum und Buddhismus mischen sich mit Islam, Judentum und Hinduismus im Wasser, das seit jeher in allen Weltreligionen als „Geschenk der Götter“ angesehen wird. Die Stimmen, die aus dem Bauch kommen, segnen und besprechen das Wasser. Dadurch wird das Element gleichsam geheiligt.
Im Hinduismus gilt Wasser als Urquell des Lebens und ein Bad im Fluß wäscht Sünden fort und führt die Verstorbenen in den Himmel. Im Buddhismus symbolisiert Wasser Reinheit, Klarheit und Gelassenheit. Es gilt als Sinnbild für den Strom des Lebens. „Und wir haben aus dem Wasser alles Lebendige gemacht.“ (21:30) spricht Allah im Koran. Allah selbst wird oft mit einem grenzenlosen Ozean verglichen. Schon in der Schöpfungsgeschichte im Christentum spielt Wasser eine große Rolle: Gott trennte Wasser und Land nachdem die gesamte Erde mit Wasser bedeckt war. Dadurch wurde das Wasser zum Sinnbild des Lebens und des Todes.
Umrahmt wird das Gebilde von Wörtern verschiedener Sprachen und Schriften in Bronze in den Asphalt eingegossen. Kreisrund stehen die segnenden Gebetsformeln. Das Runde symbolisiert die Gleichberechtigung der verschieden Religionen. Es ist Symbol für die Einheit, für das Absolute, Vollkommene und damit das Göttliche. Ebenso steht der Kreis auch für den Himmel und das All-Eine. Wegen vieler historisch begründeter Assoziationen mit der Sonne, dem Mond und der Erde bergen Kreise ein kosmisch-überirdische Deutungsverbindung. So ist der Patz, auf dem das Werk steht gleichsam geheiligt.
Das kostbare Wasser ist der Urstoff des Universums und göttlichen Ursprungs. So wird die Öffnung des Steines zum Mund, der durch das lebendige Wasser spricht. Ein leibhaftiger Körper, der berührt und anrührt, der spürt und empfindet, lebendig und gegenwärtig. Wasserströme und Rinnsale, rhythmisch pulsierend. Hier findet sich der Mensch an seinem ursprünglichen, schöpferischen Ort.
So spricht der Brunnen Tag und Nacht, von Weichem und Harten, von Sünde und Vergebung, von Fülle und Mangel, von Reinheit und Verschmutzung, von Geborgenheit und Bedrohung und letztendlich von Schöpfung und Verderben.
O Brunnen-Mund, du gebender, du Mund,
der unerschöpflich Eines, Reines, spricht, –
du, vor des Wassers fließendem Gesicht,
marmorne Maske. Und im Hintergrund
der Aquädukte Herkunft. Weither an
Gräbern vorbei, vom Hang des Apennins
tragen sie dir dein Sagen zu, das dann
am schwarzen Altern deines Kinns
vorüberfällt in das Gefäß davor.
Dies ist das schlafend hingelegte Ohr,
das Marmorohr, in das du immer sprichst.
Ein Ohr der Erde. Nur mit sich allein
redet sie also. Schiebt ein Krug sich ein,
so scheint es ihr, dass du sie unterbrichst.
Rainer Maria Rilke, 1922
Die Gebete im Einzelnen:
Judentum
Baruch ata Ado-naj, Elohenu Melech Ha’Olam, ascher kideschanu bemizwotaw, weziwanu lehadlikner schel Schabbat kodesch.
Gesegnet seist Du, GOTT, unser Gott, König des Universums, der uns geheiligt hat durch Seine Gebote, und uns befohlen hat, das Licht des heiligen Schabbats zu entzünden.
Gebetet von Christine Lutsch, März 2021
Islam
Sure 2: al-Baqara (Die Kuh) 60
wa-ʾiḏi stasqā mūsā li-qawmihī fa-qulnă ḍrib bi-ʿaṣāka l-ḥaǧara fa-nfaǧarat minhu ṯnatā ʿašrata
ʿaynan qad ʿalima kullu ʾunāsin mašrabahum kulū wa-šrabū min rizqi llāhi wa-lā taʿṯaw fĭ l-ʾarḍi mufsidīna
Und als Mūsā für sein Volk um Wasser bat, da sagten Wir: „Schlag mit deinem Stock auf den Felsen!“ Da entsprangen ihm zwölf Quellen. Nun wußte jedermann, wo sein Platz zum Trinken war: „Eßt und trinkt von Allahs Versorgung und richtet auf der Erde nicht unheilstiftend Verderben an!“ (…)
Christentum
Ut hanc aquam bene dícere dignéris, Dass Du dieses Wasser segnen wollest,
Ut hanc aquam bene dícere et sancti ficáre dignéris, Dass Du dieses Wasser segnen und heiligen wollest,
Psalm 28: Vox Dómini super aquas, Deus maiestátis intónuit; Dóminus super aquas multas.
Die Stimme des Herrn über den Wassern; der Gott der Herrlichkeit ließ es donnern; der Herr über vielen Wassern.
Psalm 45 Sicut erat in princípio, et nunc et semper, et in sǽcula sæculórum. Amen.
Wie es war im Anfang so auch jetzt und allezeit, und in Ewigkeit. Amen.
Dóminus vobíscum. Et cum spíritu tuo. Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste.
Orémus. Lasset uns beten
Qui in Trinitáte perfécta vivis et regnas Deus per ómnia sǽcula sæculórum. Der Du in vollkommener Dreifaltigkeit lebst und herrschest, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Gebetet von Ernst Gortner, November 2020
Buddhismus
The pleasant offerings of water, the various flowers,
The fragrant incense, the light, the perfume, and so forth,
These envisioned and set out to he clouds of oceans of offerings,
[I am] offering [it] to you, the supreme field of merit [i.e. Buddhahood]
Die angenehmen Gaben des Wassers, die vielfältigen Blumen,
der duftende Weihrauch, das Licht, das Parfüm und so weiter,
Sie gaben sich zu erkennen und brachen auf zu den Wolken des Ozeans der
Opfergaben;
Ich biete sie Dir dar, diese höchste Sphäre der Gaben [d.h. Buddhaschaft]
Gebetet von Dolka Changsu, September 2020
Hinduismus
Bhajan, Sanskrit
The Rig Veda/Mandala 7/Hymn 49
Rig-Veda
Mandala 7.49
FORTH from the middle of the flood the Waters-their chief the Sea-flow cleansing, never sleeping. Indra, the Bull, the Thunderer, dug their channels: here let those Waters, Goddesses, protect me.
Aus der Flut des Himmels strömen sie. Der Ozean steht ihnen vor, sich reinigend und rasten nie. Die Wasser, denen Indra, der Stier, der einen Watschra führt, die Bahn bereitete, sie sollen mir als Göttinnen hier ihren Schutz gewähren.
Waters which come from heaven, or those that wander dug from the earth, or flowing free by nature, Bright, purifying, speeding to the Ocean, here let those Waters. Goddesses, protect me.
Die himmlischen Gewässer oder die, die auf der Erde rieseln die, die man grub oder die, die alleine sprudeln, die klar sind, läutern und zum Meere streben. Die Wasser sollen mir als Göttinnen hier ihren Schutz gewähren.
Those amid whom goes Varuna the Sovran, he who discriminates men‘s truth and falsehood- Distilling meath, the bright, the purifying, here let those Waters, Goddesses, protect me.
In deren Mitte Varuna der König fährt, erspähend wahr und falsch der Menschen, die klar sind läutern, süßen Honig träufeln. Die Wasser sollen mir als Göttinnen hier ihren Schutz gewähren.
They from whom Varuna the King, and Soma, and all the Deities drink strength and vigour, They into whom Vaisvanara Agni entered, here let those Waters, Goddesses, protect Me.
In denen Varuna, der König, und Soma, alle Götter am Erquickungsdrunk berauschen, in die das Feuer, der Gast aller Menschen Einzug hielt, die Wasser sollen mir als Göttinnen hier ihren Schutz gewähren.
Gebetet von Rubab Fatima, Dezember 2020
Bodenschrift
Judentum
ברוך אתה אלוהים, אלוהינו, מלך היקום
Gesegnet seist Du, GOTT, unser Gott, König des Universums
Geschrieben in Hebäisch
Islam
كلوا واشربوا من رزق الله
Eßt und trinkt von Allahs Versorgung
Geschrieben in Arabisch
Christentum
Vox Dómini super aquas
Die Stimme des Herrn über den Wassern
Geschrieben in Lateinisch
Buddhismus
ถวายน้ำพระทัย ดอกไม้นานาพันธุ์ เครื่องหอม, แสงสว่าง, น้ำหอม, และอื่นๆ, เหล่านี้ได้นึกคิดและออกไปยังเมฆแห่งมหาสมุทรแห่งเครื่องเซ่น ถวายแด่ท่าน ลานบุญอันสูงสุด
Die angenehmen Gaben des Wassers, die vielfältigen Blumen, der duftende Weihrauch, das Licht, das Parfüm und so weiter,
Sie gaben sich zu erkennen und brachen auf zu den Wolken des Ozeans der Opfergaben;
Ich biete sie Dir dar, diese höchste Sphäre der Gaben [d.h. Buddhaschaft]
Geschrieben in Thailändisch
Hinduismus
यहां देवी के रूप में जल मेरी रक्षा करे
Die Wasser sollen mir als Göttinnen hier ihren Schutz gewähren
Geschrieben in Hindi